Ilons Geschichte
Ilons Geschichte
Foto: Oskar Omne
DIE GESCHICHTE
Einführung
Ilon Wikland ist eine der beliebtesten Kinderbuchillustratorinnen Schwedens. Seltsamerweise ist sie der breiten Öffentlichkeit eher unbekannt, obwohl Ilon Wikland die Heldinnen und Helden in den meistgelesenen Büchern von Astrid Lindgren illustriert hat. Die Bilder der vielseitigen Künstlerin reichen von der idyllischen Geborgenheit in der Krachmacherstraße bis zu den schwärzesten Tiefen des Karmafalls in Die Brüder Löwenherz.
Ilon Wikland floh während des Zweiten Weltkriegs aus Estland nach Schweden und besuchte später die Kunstschule Konstfack in Stockholm. Neben den Büchern von Astrid Lindgren hat sie auch die Werke vieler anderer Autoren illustriert, darunter die Kinderbücher von Edith Unnerstad. Zudem hat sie auch eigene Kinderbücher geschrieben und illustriert.
Ilon Wikland erhielt zahlreiche Auszeichnungen, Preise und andere Ehrungen für ihr künstlerisches Schaffen und ihr Gesamtwerk. Aber ihr Weg zum Erfolg war lang und mitunter sehr steinig.
DIE KINDHEIT
Ilons Leben in Estland
Ilon Wikland wurde im Jahr 1930 in Tartu, Estland, geboren. Später zog ihre Familie nach Tallinn, aber Ilon Wiklands Eltern hatten, wie sie selbst sagte, keine Zeit für sie. Daher verbrachte sie drei glückliche Jahre ihrer Kindheit bei ihrer Großmutter in Tartu und zog erst bei ihrer Einschulung zu ihren Eltern nach Tallinn. Als Ilon acht Jahre alt wurde, stand der nächste Umzug an. Nach der Scheidung ihrer Eltern kümmerten sich ihre Großeltern um sie.
Ilons Großmutter und Großvater lebten in einem gelben Haus neben der Kirche in dem idyllischen Ort Haapsalu. Viele Motive in „Die Kinder aus Bullerbü“ sind von Ilons eigener Kindheit in Haapsalu und dem üppigen Garten ihrer Großmutter inspiriert. Ilon erinnert sich, dass sie oft Beeren von den Himbeersträuchern hinter dem Haus ihrer Großmutter pflückte. Haapsalu liegt in der Nähe des Strandes und ist ein alteingesessener Badeort. Ilon fand dort viele Spielkameraden. Oma, Opa und ihr großer Hund Tito waren das Wichtigste in Ilons Leben. Tito, eine Deutsche Dogge, war immer an Ilons Seite.
Schon während ihrer Kindheit in Estland fing Ilon Wikland an zu zeichnen. Sie fand schnell heraus, dass sie immer in Ruhe gelassen wurde und nicht im Haus helfen musste, wenn sie zeichnete.
Ilons Heimatstadt Haapsalu in Estland, dargestellt im Buch „Das Haus meiner Großmutter“
DIE TEENAGERZEIT
Ilons Flucht nach Schweden
Mit 14 Jahren, am Ende des Zweiten Weltkriegs kam Ilon als Flüchtling nach Schweden. Die Russen hatten zu Beginn des Krieges einen Luftwaffenstützpunkt in Haapsalu eingerichtet, und 1944 marschierte die Rote Armee in Estland ein. Wiklands Großmutter sorgte dafür, dass Ilon mit einem der letzten Boote entkam – der „Meritäht“ oder zu Deutsch Seestern. Die letzten Monate in Estland waren sehr traumatisch für Ilon, insbesondere weil sie ihren geliebten Hund Tito verlor. Als Tito eines Tages nach Hause kam, hatte er eine Schusswunde von einem russischen Soldat in der Pfote. Ilon und ihre Großmutter pflegten ihn gesund. Aber als es ihm wieder besser ging und sie ihn raus ließen, verschwand er auf Nimmerwiedersehen.
Am 22. September 1944 nahm Großmutter Julie die 14-jährige Ilon und verließ das gelbe Haus in Haapsalu. Es sollte 45 Jahre dauern, bis Ilon dieses Haus wiedersehen würde. Noch am selben Tag eroberte die Rote Armee Tallinn, und wenige Tage später hatte sie das gesamte estnische Festland besetzt. Soweit bekannt ist, war die Meritäht das letzte Schiff, das nach Schweden und in die Freiheit auslaufen konnte.
Bereits nach zwei Jahren in Schweden, im Alter von sechzehn Jahren, nahm Ilon verschiedene Jobs an, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und sich ein Studium leisten zu können. Anfangs lebte Ilon bei ihrer Tante in Stockholm, aber danach stand sie auf eigenen Füßen und lebte als nicht registrierte Einwanderin an verschiedenen Adressen. Die Tante, selbst Künstlerin, war es, die Ilons zeichnerisches Talent zuerst bemerkte und dafür sorgte, dass sie direkt in der Buch- und Werbeschule von Akke Kumlien aufgenommen wurde. Die Ausbildung kam ihr sehr zugute. Sie arbeitete in einer Buchbinderei, einem Dekorationsstudio und schließlich als Designerin für Zeitschriften bei Bonnier. Wikland absolvierte außerdem die Zeichenschule von Konstfack und Signe Barth.
Als der Krieg nach Haapsalu kam, dargestellt in "Die lange lange Reise"
DIE BERUFSJAHRE
Eine lebensverändernde Begegnung
1953 bewarb sich Ilon als Illustratorin bei Rabén & Sjögren. Es war eine Begegnung der besonderen Art, als sich die 23-jährige Ilon Wikland und die 45-jährige Astrid Lindgren, die zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Bücher veröffentlicht hatte, im Verlag trafen. Astrid Lindgren hatte gerade „Mio, mein Mio“ beendet und bemerkte, dass Ilon „Märchen zeichnen“ konnte. So kam es, dass Ilon den Auftrag erhielt, das neue Buch zu illustrieren. Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt.
Die Rechte der Kinder und die Bedeutung der Kindheit sowie die Möglichkeit, zu träumen und zu spielen, finden sich in Astrid Lindgrens und Ilon Wiklands Vision des Geschichtenerzählens wieder. Ilon sagte einmal, dass Astrids Geschichten innere Bilder vor ihrem Auge entstehen lässt. So wie Astrid Lindgren für „das innere Kind“ in sich schrieb, so zeichnete Ilon oft für ihr inneres Kind.
Die Werke von Astrid Lindgren sind einzigartig und von großer Bedeutung. Sie schrieb 34 Bücher und 41 Bildbände. Ihre Bücher wurden in mehr als 100 Sprachen übersetzt und es wurden weltweit über 165 Millionen Exemplare verkauft. Astrid Lindgren war überzeugte Humanistin und setzte sich für die Rechte der Kinder, für Gleichberechtigung und für den Tierschutz ein. Die meisten Bücher von Astrid Lindgren wurden von Ilon Wikland illustriert.
„Die Begegnung mit Astrid Lindgren war der Dreh- und Angelpunkt meines Lebens“, sagte Ilon mehrfach.
„Die Kinder des lauten Dorfes“, geschrieben von Astrid Lindgren und illustriert von Ilon Wikland
DIE KÜNSTLERIN
Rückkehr in die Heimat
Nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Rabén & Sjögren 1990 nimmt Ilons Karriere eine neue Richtung. Nach 45 Jahren beschließt Ilon, ihrer Heimat Estland einen Besuch abzustatten. Diese Reise bildet den Ausgangspunkt für ein neues kreatives Schaffen. Wikland unternimmt daraufhin mehrere Reisen in ihr ehemaliges Heimatland.
Das Ergebnis sind ihre eigenen Bilderbücher, die zwischen 1995 und 2007 erschienen sind und in denen Ilon Wikland ihre Kindheit in Estland und ihre Flucht nach Schweden schildert. Ihr Kinderbuch „Die lange, lange Reise“ wurde 1995 mit einem Text von Rose Lagercrantz veröffentlicht. Das Buch erzählt die Geschichte eines Kindes, das vor einem unbarmherzigen Krieg flieht, aber auch von dem Glück, in ein friedliches Schweden zu kommen.
Im Buch „Sammeli, Epp und ich“ (Sammeli, Epp och jag) hat Wikland die Texte selbst geschrieben. Der Hund Sammeli ist ein treuer Begleiter und dem Hund nachempfunden, den Ilon im wirklichen Leben hatte. Sammeli kommt in mehreren ihrer Bücher und Geschichten vor. Für die Bücher „I min farmors hus“ (‚Im Haus meiner Großmutter‘) von 2005 und „Potatisbarnen“ (‚Die Kartoffelkinder‘) von 2007 arbeitete Ilon mit der bekannten Schriftstellerin Barbro Lindgren zusammen.
Ilon Wikland investiert unglaubliche Mühe in die vielen Details ihrer Illustrationen. Sie möchte den Charakter der Menschen genau einfangen und achtet sehr auf die Emotionen, die ihre Bilder vermitteln. Um das Bild auf dem Papier mit dem Bild in ihrem Kopf in Einklang zu bringen, zeichnet sie dasselbe Bild viele Male, zuerst als Bleistiftskizze und dann als Reinzeichnung mit Filzstiften.
Im Jahr 2004 stiftete Ilon Wikland ihre Buchillustrationen der estnischen Regierung. Zwei Jahre später wird „Ilons Wonderland“ in Haapsalu eröffnet, ganz in der Nähe des Hauses, in dem einstmals ihre Großmutter lebte und in dem sie große Teile ihrer Kindheit verbrachte. Im Jahr 2009 wurde die Galerie auf Ilons Wunsch hin um ein großes Zentrum zur Förderung von Kreativität und Kunst bei Kindern erweitert. Jedes Jahr besuchen Tausende von Kindern und Familien das Museum.
Ilon und Sammeli am Bahnhof in Haapsalu in „Die lange lange Reise“
THE STORY
The family
Im Jahr 1951 heiratete Ilon im Alter von 21 Jahren Stig Wikland. 1953 erblickte ihre erste Tochter Helene das Licht der Welt. Ilon und Stig bezogen eine größere Wohnung in Stockholm und bekamen dort weitere Kinder. Ilon wuchs als Einzelkind auf, weshalb es ihr ein Anliegen war, dass ihr Kind nicht das gleiche Gefühl von Einsamkeit erleben musste, das sie manchmal verspürt hatte. Sie brachte drei weitere Töchter zur Welt – Birgitta, Fredrika und Anna. Da die vier Kinder und deren Freunde immer da waren, hatte Ilon keinen Mangel an Modellen für ihre Zeichnungen. Das spielerische Miteinander, die Interaktionen und die Emotionen dienten Ilon als wundervolle Inspiration und es gelang ihr, das alles in ihren Illustrationen so großartig widerzuspiegeln.
Heute leiten Ilon Wiklands Töchter Helene, Fredrika, Anna und Birgitta Wikland die Design Ilon Wikland AB, um Ilons fantastischen Kunstschatz zu bewahren und weiterzuentwickeln.